Alten Wache, Traunstein, 2011

 

Martin Fritzsche / Helmut Mühlbacher

 

Für die in der Alten Wache stattfindende Präsentation haben sich zwei Künstler zusammengetan, die einen frischen Wind in die traditionsreiche Jahresausstellung bringen. Helmut Mühlbacher und Martin Fritzsche kommen beide künstlerisch von der Konzeptkunst her, haben aber das Spröde und Theoretische dieser Kunstrichtung, die in die Idee alles und in die Ausführung wenig hineinlegte, hinter sich gelassen. Ein gutes Beispiel dafür ist ihre Zusammenarbeit bei der Raumbespielung “daily sculptures“.

Ihr Material ist dem Alltag und der Gebrauchswelt entnommen: Tüten, Folien und Plastikschüsseln werden aus ihrem funktional definierten Kontext genommen und in einen anderen Sinn- und Raumzusammenhang gebracht. Der künstlerische Prozess beginnt im Sichten der Alltagswirklichkeit, im Erkennen drängender gesellschaftlicher Problemfelder und in der Wahrnehmung des geeigneten Materials. Ein Material ist für Mühlbacher und Fritzsche dann geeignet, wenn es Zeichenhaftigkeit in sich birgt, die einen Reflexionsprozess des Betrachters in Gang setzt. In ihrem Gemeinschaftsprojekt einer Diashow wird z.B. eine in endloser Serie geschaltete Abfolge von Bildern gezeigt, die beide Künstler unabhängig voneinander in den 90er Jahren ausschließlich aus bedruckten Plastiktüten gemacht haben. Dem Betrachter allerdings, der die Diaprojektion durch Sehschlitze verfolgt, wird sich der Gegenstand der Darstellung gar nicht so leicht erschließen. Die Aufnahmen zeigen nur Segmente, Ausschnitte von Plastiktüten, die in der Isolierung und Vergrößerung einen ganz eigenen, malerischen Reiz entfalten und deren Material in der Nahansicht eine Körnigkeit aufweist, die sogar an eine Leinwand denken lässt. Gleichzeitig sorgen der Anachronismus von Diapositiven und die Wahrnehmung des Industriematerials, das Spuren des Gebrauchs und des Verfalls trägt, beim Betrachter dafür, sich über die Kombination von pittoresker Schönheit, Konsumbereitschaft und Vergänglichkeit Gedanken zu machen. Verpackungsmaterial kommt auch bei den „Bubbles“ von Helmut Mühlbacher zum Einsatz: Schwebend im Raum verteilt bewegen sich einzelne Luftpolsterkissen, die kleine menschliche Figuren aus dem Eisenbahnmodellbau enthalten, im Luftzug. Mitleid erregend klein, fremdbestimmt, isoliert und gefangen wird der Mensch charakterisiert, ausgesetzt den Strömungen der Welt und immer gefährdet, denn wenn die Blase platzt, dann stürzt er unweigerlich. Schwankend und labil ist auch die Arbeit von Martin Fritzsche mit dem Titel „buntes treiben“. Verschieden farbige Schüsselchen tanzen auf der Wasseroberfläche eines zweckentfremdeten Aquariums. Auch hier täuscht der zunächst fröhliche Eindruck nicht darüber hinweg, dass die Konstruktion eine in höchstem Maße bedrohte und ephemere ist. Aus welcher Richtung die Irritation, die unweigerlich zum Untergang führt, kommen könnte, bleibt offen und abstrakt. Das für die Eröffnung vorgesehene Künstlergespräch bietet Raum für diesbezügliche gesellschaftskritische Diskussionen. In der Bereitschaft miteinander zu reden und Standpunkte auszutauschen sind die beiden Künstler Helmut Mühlbacher und Martin Fritzsche, die sich in ihrer Ausstellung “daily sculptures“ so spielerisch und ästhetisch ansprechend präsentieren, wieder fest auf dem Boden der Konzeptkunst angelangt.

 

Judith Bader

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